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Rekonstruktion von Waffen

Unter einer Rekonstruktion versteht man im allgemeinen die Nachbildung, bzw. Wiederherstellung von etwas mehr oder weniger nicht mehr Existierendem oder Unbekanntem.

Rekonstruktion des Langsaxes aus Rullstorf

Das Original

Eines der wenigen Schwerter, die in unseren dargestellten Zeitraum passt, ist der Sax aus dem Körpergrab A01 Stelle 1198, Quadrant BE5d im spätsächsischem Gräberfeld Rullstorf. Diese Waffe ist offensichtlich durch Verbiegen und Zerbrechen in zwei Teile unbrauchbar gemacht worden und als Grabbeigabe dem Verstorbenen beigefügt. Die Beschädigung sollte vermutlich einen Grabraub verhindern.

Absichtlich verbogener Langsax aus Rullstorf
Abb.1 Absichtlich verbogener Langsax aus Rullstorf

In seiner 1993 publizierten Dissertation über das spätsächsische Gräberfeld Rullstorf beschreibt Cornelius Hornig den Sax auf Seite 202 wie folgt:
Sax, Länge 62,2, Breite 4,3 mit stark verdicktem Rücken, Br. 1,0; Klingenblatt Lg. 49. Auf der Klinge verläuft parallel zum Rücken beidseitig eine Kehlung. Am Griff haben sich teilweise Holzreste erhalten; darin zeigt sich der Abdruck einer nicht mehr vorhandenen Zwinge, Lg 5,1.

Auf Seite 159 ff. ist weiterhin zu lesen:
Eine wohl aus Edelmetall bestehende Zwinge, deren Abdruck im noch erhaltenen Holz des Griffes deutlich zu erkennen ist, war vor der Grablege entfernt worden. Der Sax gehört mit seiner Länge von 62,2 cm in die Gruppe der Langsaxe. (...) Im Rahmen seiner Untersuchungen spätsächsischer Saxklingen datiert Westphal (1980, S. 345 ff.) den Rullstorfer Sax in die 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts. Der rein typologische Vergleich mit anderen Langsaxen rechtfertigt eine Datierung in das 8. Jahrhundert ebenfalls.

Fundzeichnung
Abb.2 Fundzeichnung

Rekonstruktion Nummer 1

Basierend auf die Angaben von Cornelius Hornig haben wir uns den Sax von Thomas Flieger, dem "Schmiedeteufel" anfertigen lassen. Die fehlende Zwinge aus Edelmetall wurde durch ein Bronzeblech in der entsprechenden Größe ersetzt. Bronze deswegen, weil dieses Material im Rullstorfer Gräberfeld sehr häufig vorgekommen ist. Natürlich hätte sie auch aus einem anderen Material, wie z.B. Silber sein können. Dieses würde auch eher erklären, warum sie vor der Grablege entfernt wurde. Wie beim Original wurde der Griff relativ kurz gehalten. Dieses erwies sich in der Praxis jedoch als unpraktisch. Der Sax liegt schlecht und unausgewogen in der Hand. Bei einer näheren und intensiven Betrachtung des Originals ist am Griff eine gerade Bruchkante erkennbar. Der Griff ist also offensichtlich länger gewesen. Da diese erste Rekonstruktion in den Abmessungen der Klinge um einige Millimeter leider nicht ganz dem Original entspricht und auch ein Austauschen des Griffes etwas schwierig erscheint, haben wir uns für die Anfertigung eines zweiten Saxes entschieden.

Die erste Rekonstruktion der Rullstorfer Waffe
Abb.3 Die erste Rekonstruktion der Rullstorfer Waffe

Rekonstruktion Nummer 2

Nicht allzu weit von uns entfernt im Nachbarlandkreis lebt "Hakun Risti", der sich mit dem Herstellen von Rekonstruktionen mittelalterlicher Waffen und Rüstteilen für Museen und Geschichtsdarsteller international bereits einen guten Rang und Namen erarbeitet hat. Auch uns ist Hakun Risti persönlich bekannt und war unser erster und bester Ansprechpartner für die Rekonstruktion Nummer zwei der Rullstorfer Waffe.

Noch nicht ganz fertiger Sax in der Rekonstruktion von Hakun Risti
Abb.4 Noch nicht ganz fertiger Sax in der Rekonstruktion von Hakun Risti

Bereits im ersten Gespräch mit Hakun Risti wurde klar, dass bei dem Rullstorfer Sax auch eine andere Interpretation der Ausstattung möglich ist. Das der Griff in der ersten Ausführung zu kurz war und nun länger werden würde, stand bereits fest. Hierzu gibt es auch entsprechende Vergleichsfunde. Überraschend war dann jedoch seine Theorie, die nicht nur die Größe, sondern auch gleich die ganze Existenz der vermuteten Metallzwinge anzweifelte. Am Griff wurde demnach Holz entfernt um eine Wicklung aus einem natürlichen Material anbringen zu können. Dieses ist dann im Laufe der Jahre vergangen. Hierfür und auch für die Breite der Bebänderung von nun 2,4 cm konnte er plausible Gründe nennen, so das wir uns seiner Meinung vorbehaltlos anschlossen.

Der fertige Sax in der Rekonstruktion von Hakun Risti
Abb.5 Der fertige Sax in der Rekonstruktion von Hakun Risti

Literatur- und Quellenangabe:
Gebers, Dr. W. – Auf dem Weg nach Walhall, 2004
Gebers, Dr. W. – Die Rullstorfer Altsachsen, CD
Hornig, Cornelius – Das spätsächsische Gräberfeld von Rullsdorf, Ldkr. Lüneburg, 1993
Lauxtermann, Britta – "Ein Mitglied des sächsischen Adels – der Krieger im Holzkammergrab 5095" in Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 2/ 2001.

Bildquellen:
Abb.1: Gebers, Dr. W. – Die Rullstorfer Altsachsen, CD
Abb.2: Hornig, Cornelius – Das spätsächsische Gräberfeld von Rullsdorf, 1993 (Tafel 1, 1)
Abb.4 und 5: Hakun Risti