Die Waffen der Altsachsen
Was wäre das Mittelalter ohne Waffen? Aber war es tatsächlich so? Waren alle Menschen bis an die Zähne bewaffnet, wenn sie auf die "Straße" gingen? Sicherlich nicht !
Über 90% der Bevölkerung des Frühmittelalters bestand aus "Landbevölkerung" und lebte vom Ackerbau und Viehzucht. Wie passen da jetzt Waffen hin? Schauen wir doch einmal auf die archäologische Fundsituation:
Wenn wir uns die Anzahl der "waffenführenden" Gräbern auf den Gräberfeldern von Liebenau und Rullstorf vor Augen führen, dann wird uns kein Bild einer überbewaffneten und kriegerischen Gesellschaft aufgezeichnet. Nur sehr wenigen Männergräbern sind Waffen als Grabbeigaben mitgegeben worden. Weiterhin ist noch zu berücksichtigen, dass bereits der Fund einer einzelnen Pfeilspitze ein Grab als "waffenführend" kennzeichnet. Pfeilspitzen sind jedoch nicht unbedingt als Kampfwaffe anzusehen, sondern wohl in erster Linie zur Jagd verwendet worden. Diese Gräber wären also keinem "Krieger", sondern eher einem "Jäger" zuzuordnen.
Sowohl in Körpergräbern, als auch in Brandgräbern sind aber auch Kampfwaffen wie Lanze, Schild und Sax gefunden worden. Eine einheitliche Standardausrüstung gab es offensichtlich nicht. Die Anzahl und die Kombination der Waffen schwankt erheblich und lässt keine durchorganisierte, auf bestimmte Waffenformen ausgerichtete Kampfesweise erkennen.
Die Mitgabe von Waffen sollte den Rechtsstand, das soziale Ansehen und den Besitz des Verstorbenen dokumentieren. Waffen waren in der Regel ein Status- und ein Machtsymbol. So durfte ein Sax zum Beispiel nur von freien Männern als äußeres Zeichen ihrer Stellung und ihres Ranges in der Gesellschaft getragen werden. Nach deren Tod hatten sie einen Rechtsanspruch darauf ihre, bzw. eine entsprechende Waffe als Grabbeigabe zu erhalten.
Besonders anschaulich wird dieses durch das Scheiterhaufengrab N9/B1 in Liebenau. Bei diesem Grab eines maximal 4 jährigen Jungen wurde ein hochwertiges Prunkschwert nachgewiesen. Dieser Knabe war noch nicht in einem waffenfähigem Alter, gehörte aber offensichtlich zu einer herausragenden Familie jener Gesellschaft. Es ist daher auch denkbar, dass ein mit Sax begrabener Mann diese Waffe sein Leben lang besessen hatte, ohne sie jemals kriegerisch eingesetzt zu haben.
Ab Mitte des 7. Jahrhunderts nimmt die Zahl der "waffenführenden" Gräber noch stärker ab. Entweder wurden sie noch nicht gefunden, oder es wurden ab dieser Zeit keine Waffen mehr getragen. Es ist aber sicherlich eher das Gegenteil der Fall. Die Auseinandersetzungen mit den Franken wurden immer stärker, dass man es sich nicht mehr leisten konnte, kostbare Waffen durch Mitgabe in die Gräber faktisch zu zerstören.
Kampfwaffen werden von den Archäologen gerne in Kategorien für den Nahkampf (Spatha, Sax, Axt); für den Kampf auf Distanz (Lanze, Speer) und für den Schutz (Schild, Helme, Rüstungen) eingeteilt. Diese Waffen werden – soweit in den Fundkomplexen vorhanden – auf den Folgeseiten erklärt.
Wie oben bereits erwähnt, sind Pfeil und Bogen primär als Jagdwaffe zu betrachten. Weitere Informationen dazu sind im Bereich Jagd zu finden.
In einer Vielzahl von Männer- Frauen- und Kindergräbern sind Messer in unterschiedlichen Größen und Formen gefunden worden. Diese Messer werden im allgemeinen nicht als Waffe, sondern als Gebrauchsgegenstände angesprochen. Klappmesser zum Beispiel, die ausschließlich in Männergräbern vorkommen, werden von einigen Archäologen auch als Rasiermesser angesehen.
Literatur- und Quellenangabe:
Cosack, Erhard - Der altsächsische "Heidenkirchhof" bei Sarstedt, Ldkr. Hildesheim, und die Schlacht am Süntel 782, Studien zur Sachsenforschung 16, 2007
Gebers, Wilhelm – Auf dem Weg nach Walhall, 2004.
Häßler, Hans-Jürgen - Ein Gräberfeld erzählt Geschichte, Studien zur Sachsenforschung 5.5
Ludowici, Babette - "Brandgräber unter dem Mikroskop" veröffentlicht in "Archäologie in Niedersachsen", 2009"
Bildquelle:
Abb.2: Gebers, Wilhelm - Auf dem Weg nach Walhall, 2004 (Abb.97, Seite 88)