Götterwelt
Wie bereits im Vorwort erwähnt, möchten wir die Ausführungen der Edda nicht verwenden. Deshalb gibt es an dieser Stelle keine Aufzählung von Götternamen aus dem reichhaltigen Pantheon der germanischen und skandinavischen Mythologie. Wir wollen uns hier ausschließlich mit den Göttern beschäftigen, die zu "unserer" Zeit belegbar sind.
Wieder mal ist hier ist die Quellensituation sehr spärlich. Erst mit zunehmender Christianisierung und damit mit der Einführung der lateinischen Schriftlichkeit ändert sich diese Situation. Kirchliche Organisationen und Missionare müssen sich mit dem Heidentum auseinandersetzen und legen dieses schriftlich nieder. Aber auch den germanischen Stämmen gibt die neugewonnene Schriftlichkeit die Möglichkeit, die eigene Geschichte und damit auch die religiöse Urgeschichte aufzuzeichnen. In den christlichen Aufzeichnungen wurden die heidnischen Götter jedoch kaum erwähnt, sondern eher pauschal dämonisiert. Als Götternamen wurden die heidnischen Götter eher in der Übersetzung mit den Namen der römischen Götter angesprochen. So wurden in der "Indiculus superstitionum et paganiarum" (Verzeichnis abergläubischer und heidnischer Handlungen unter den Sachsen) mehrfach Jupiter und Merkur erwähnt. Hiermit sind zweifelsfrei Donar/Thor und Wodan gemeint.
Deutlicheren Einblick gibt ein aus der Zeit der Sachsenbekehrung stammendes "altsächsisches Taufgelöbnis". Hierbei handelt es sich um eine Abschwörungsformel, die der Täufling aufsagen musste. Der Religionswechsel war eine Art Rechtshandlung, weshalb der Täufling genau wissen musste, von welchen Göttern er sich abwenden und welchem Gott er sich fortan anvertrauen sollte. Deshalb wurde das Taufgelöbnis in einer Sprache geschrieben, die der Täufling auch beherrschte. Unter anderem musste dieser Satz ausgesprochen werden: "end ec forsacho allum dioboles uuercum and uuordum, Thunaer ende Uuôden ende Saxnôte ende allum thêm unholdum, thê hira genôtas sint." (Ich widersage allen Werken und Worten des Teufels, Thor, Wodan und Saxnôt und allen Unholden, die ihre Genossen sind). Durch diese Formulierung wird bereits die fortgeschrittene Dämonisierung der heidnischen Götter und die Gleichsetzung mit dem Teufel deutlich. Interessant dabei ist, dass dieses Taufgelöbnis die Existenz der heidnischen Götter nicht bestreitet, sondern diese verteufelt und als böse Geister darstellt.
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Auf der 1905 in Nordendorf im Kreis Augsburg als Grabbeigabe entdeckten Runenfibel einer reichen Alamannin um 600, werden die germanischen Götter Wotan und Donar erwähnt. Die Inschrift lautet: "Lügner (und Zauberer sind) Wotan und Weihedonar; Awa (dem) Leubwini (wünscht oder schenkt Glück)." Auch hier scheint eine Abschwörungsfomel vorzuliegen.
Somit sind Wodan und Donar/Thor die beiden best- und längstbelegten germanischen Götter!
Mit der (dritten) Bezeichnung "Saxnôt" aus dem Taufgelöbnis wird es etwas schwieriger. Hier kann es sich nicht um den tatsächlichen Namen, sondern lediglich um einen Beinamen eines Gottes gehandelt haben. Zweifelhaft ist die Übersetzung als "Schwertgenosse", da das altsächsische Wort "sahs" nicht mit der Bedeutung "Schwert" belegt ist. Auch die Deutung als "Sachsengenosse" ist sicherlich falsch. Da aber Saxnôt im Taufgelöbnis im selben Atemzug mit Donar/Thor und Wodan genannt wird, macht dieses eine hohe Stellung des Gottes deutlich. Es wird angenommen, dass hier Tyr gemeint ist. Er ist ein Sohn Wodans und war dessen ausführende Hand was Kriege und Schlachten betrifft.
Dass Götter in Dreiheiten auftreten, ist eine religionsgeschichtlich oft auftretende Gegebenheit. Auch Tacitus beschreibt als germanische Hauptgötter eine Trias von Gottheiten, nämlich Merkur, Herkules und Mars. Die Gleichsetzung dieser Trias mit Wodan, Donar und Tyr ist allerdings etwas schwierig, weil die "Interpretario germanica" Donar/Thor für Jupiter einsetzt. Beides sind Blitzeschleuderer. Die Ableitung von Tyr zu Mars ist jedoch gut belegt (Kriegsgott). Die Gleichsetzung von Wodan zu Merkur als germanischen Hauptgott wird zusätzlich auch von Cäsar in "De bello Gallico 6,17" erwähnt. Beides sind Götter der Dichtung und der Rede.
Paulus Diaconus (Geschichtsschreiber der Langobarden) bezeichnete im späten 7. Jahrhundert Woden als Hauptgott der Langobaden und stimmt damit einer anonymen, aber 100 Jahre älteren "Origo gentis Langobardorum" überein, in der von dem Gott Godan und seine Frau Frea die Rede ist. Diese können ohne Zweifel mit dem Götterpaar Wodan und Frigg identifiziert werden.
Die Römer hatten den Wochentagen den Namen ihrer Götter gegeben. Die Germanen haben diese Wocheneinteilung später übernommen und die römischen Götternamen durch die Namen der germanischen Gottheiten ersetzt. Der Dienstag ist nach dem Gott Tyr (röm. Mars) benannt. Im englischen noch heute deutlich als Tuesday erkennbar. Im Mittwoch ist der Gott Wodan (röm. Merkur) nicht mehr enthalten, aber dafür noch im niederländischen Woensdag, oder im englischen Wednesday zu finden. Im Donnerstag verbirgt sich der Gott Donar, der auch Thor (röm. Jupiter) genannt wurde, was den Thursday im Englischen erklärt. Der Freitag (engl. Friday) steht für die Göttin Freyja, bzw. Frigg (röm. Venus).
Im zweiten Merseburger Zauberspruch (siehe auch Kapitel ) wird ebenfalls Wodan und Freyra sowie einige unbekannte Götter genannt. Phol, Sinthgunt und Folla. Es ist allerdings unklar, ob mit Phol der Gott Freyr gemeint sein könnte. Auch tritt hier der Gott Balder auf. Aber auch hier ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um diesen Namen handelt.
Adam von Bremen (um 1070) schreibt in seiner "Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum" von drei Götterstatuen in Gestalt von Odin, Thor und Fricco (Freyr) im Tempel von Uppsala. Wobei dieses schon wikingerzeitlich ist.
So weit die Erwähnungen der Götter vor Snorri und seiner Edda. Alle weiteren Beschreibungen sind bereits so weit christlich beeinflusst, dass wir sie hier nicht mehr nennen möchten, weil sich sonst ein verzerrtes Bild ergibt. So wurde Balder zum Beispiel mit Jesus Christus gleichgesetzt, weil beide als "Gute" sterben mussten.
Belegte Götter für uns sind demnach: Wodan, Donar, Tyr und Frigg. Es aber auch davon auszugehen, das neben den Göttern noch andere religiöse Wesen existiert haben. Wie zum Beispiel Naturgeister, Ahnengottheiten, Disen, etc. Dafür gibt es in unserer Zeit leider keinen Nachweis. Hinweise darauf sind aber aus der römischen Kaiserzeit belegt.
Literatur- und Quellenangabe:
Simek, Rudolf - Religion und Mythologie der Germanen, Theiss
Simek, Rudolf - Götter und Kulte der Germanen, C.H. Beck
Bildquellen:
Abb.1: Simek, Rudolf - Götter und Kulte der Germanen