Unser Tagebuch
Hildesheimer Seespektakel 2019
Im Jahr 2007 hatten wir auf dem Mittelaltermarkt in Hildesheim den Beschluss gefasst, eine eigene Mittelaltergruppe zu gründen. Dieses war im Grunde die Geburtsstunde von "Scotelingo – Sachsen um 700". Seitdem sind wir aber nur noch selten dort gewesen, obwohl diese Veranstaltung direkt vor unserer Haustür stattfindet.
In diesem Jahr gab es aber einen besonderen Grund das Hildesheimer Seespektakel wieder einmal zu besuchen. Was ist passiert?
Bereits in den vergangenen Jahren gab es einen Wechsel des Veranstalters. Aus Gründen des Lärmschutzes gab es immer wieder Auseinandersetzungen mit den Anwohnern des nahegelegenen Wohnviertels. 2018 gab dann auch der letzte Veranstalter auf und wollte diesen Markt wegen der juristischen Anfeindungen nicht mehr durchführen. Nachdem fraglich war, was mit dieser schönen Veranstaltung passieren sollte, hatten sich unsere Freunde vom Hildesheimer Mittelalterverein "Vereinte Banner e.V." am Anfang des Jahres dazu bereit erklärt, diese Veranstaltung ehrenamtlich mitzuorganisieren. Als Veranstalter trat der Betreiber des Jo-Bades in Hildesheim auf, auf dessen Gelände die Veranstaltung immer stattgefunden hatte. Als Termin wurde der 20. - 22. September 2019 gewählt, da der bisherige Termin im Mai wegen der Kurzfristigkeit und wegen einer Terminüberschneidung mit einem anderen Markt nicht mehr möglich war.
Alles schien perfekt! Die Mittelalter - Fans aus Hildesheim und auch aus der weiteren Umgebung freuten sich sehr, dass es in Hildesheim weitergeht. Am Freitag Nachmittag - kurz vor der geplanten Eröffnung des Marktes – dann der Schock! Ein Anwohner hatte eine Beschwerde per Eilantrag an das Verwaltungsgericht Hannover geschickt und Recht bekommen. Hiernach dürfte der Markt nicht stattfinden. Das juristische Schlupfloch war eine Baugenehmigung die die Stadt Hildesheim dem Jo-Bad erteilt hatte. Das Rathaus wandte sich daraufhin an die nächsthöhere Instanz und rief das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg an. Was folgte war eine etwa fünfstündige Zitterpartie für alle Beteiligten. Schließlich waren schon alle Teilnehmer angereist und hatten ihre Zelte aufgebaut. Auch die Händler und Künstler hingen förmlich in der Luft. Hotelzimmer waren gebucht, Verträge sind geschlossen und auch die Stände und die Bühne waren schon aufgebaut. Gegen 20 Uhr am Freitag Abend dann die erlösende Nachricht aus Lüneburg. Das OVG hat die Entscheidung aus Hannover aufgehoben. Der Markt konnte also stattfinden. Allerdings nicht so, wie geplant. Einige Lager mussten umziehen und auf der anderen Seite des Geländes wieder aufbauen. Auch zeitlich gab es Einschränkungen. Statt wie geplant bis 22 Uhr musste das Bühnenprogramm und der Markt am Samstag bereits um 20 Uhr enden. Mit diesen weiteren Auflagen waren sowohl die Veranstalter als auch der Kläger zufrieden. Das Seespektakel 2019 konnte also stattfinden. Dieses allerdings erst ab Samstag. Die für Freitag vorgesehene Eröffnung und das Abendkonzert mussten ersatzlos entfallen.
Unser Rundgang
Ulrich war am Samstag bereits kurz nach 11.00 Uhr auf dem Veranstaltungsgelände. In den Gesichtern der Lagernden konnte man die Freude und Erleichterung förmlich ablesen. Was muss hier gestern Abend los gewesen sein? Eine Mischung aus Frust, Wut, Unsicherheit und Traurigkeit.
Die ersten Stunden hatte Ulrich damit verbracht die Lager aufzusuchen und Freunde zu treffen, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Es wurden sehr nette Gespräche geführt, alte Freundschaften aufgefrischt und neue geschlossen. Am Nachmittag stieß noch Kathrin dazu, die erst später erscheinen konnte. Es war ein sehr schöner Tag, der für uns doch erst gegen 22 Uhr endete, da wir unverhofft in den Besitz von eigenen "Lagerbändchen" gekommen sind und somit auch noch länger in den Lagern bleiben durften. Am Sonntag sind wir von etwa 13.30 Uhr bis 18.00 Uhr noch einmal dagewesen. Der Markt war deutlich größer als sonst und an einem Tag kaum zu schaffen.
Der Markt
Bereits beim Rundgang ist uns aufgefallen, dass es einige hochwertige Lager und Händler gab, die wir an dieser Stelle nicht vermutet hatten. Wir waren sehr erfreut darüber, dass wir Einar den Schmied und Erik mit seiner Holzwerkstatt angetroffen hatten. Beide waren aus Hessen angereist und sind uns vom Wikingermarkt in Schlotzau bekannt. Hier fanden auch programmäßig Vorführungen von frühmittelalterlichem Handwerk statt. Es hat uns sehr gefallen, dass dabei auch demonstriert wurde, was es im Frühmittelalter gab und was nicht. Das Publikum war sehr wissbegierig und hat viele Fragen gestellt. Eine Wissensvermittlung an dieser Stelle ist neu in Hildesheim und wurde sehr gut aufgenommen. Gefreut hat uns auch, dass Bianca Weber aus Braunschweig mit ihrem Stand für handgenähte frühmittelalterliche Bekleidung anwesend war. Leider war sie ziemlich weit hinten und stand etwas ungünstig.
Und noch etwas ist aufgefallen. Es gab keine sogenannten "Walking Acts" aus dem Fantasie Bereich. Und überhaupt wurden Fantasie Elemente weitestgehend ausgeklammert. Für Leute wie uns, die ja auf historische Genauigkeit achten, ein guter Schritt. Natürlich handelt es sich beim Hildesheimer Seespektakel nach wie vor um einen kommerziellen Mittelaltermarkt – nichts anderes war die Zielsetzung – aber er hat an Qualität deutlich hinzugewonnen.
Erfreulich war auch der Eintrittspreis von nur noch 10,-€. In der Vergangenheit betrug er 15,-€ und ist somit um ein Drittel preiswerter geworden. Und für die Freunde des gepflegten Mittelaltermarktes gab es natürlich auch den Marktumzug, Schaukämpfe zwischen Rittern und Wikingern, eine Zaubershow mit Robert Blake, Live Musik von den Gruppen "Oropher – Des Teufels Brut", "Kuh Schwanz" und "Nathanel" und weiteren, sowie am Abend eine Feuershow. Für die Kinder wurde eine Hüpfburg in Form eines Piratenschiffes aufgebaut. Für das leibliche Wohl wurde in sehr vielfältiger Weise gesorgt und auch durstig musste keiner das Gelände verlassen.
Alles verlief ruhig und gesittet. Es gab keinerlei Probleme oder Ausschreitungen. Und auch der richterlich angeordnete Umzug der betroffenen Lager auf einen anderen Standort wurde weitestgehend gemeinschaftlich erledigt. Hier hat es sich gezeigt, dass die Mittelaltergemeinschaft eben doch wie eine "Familie" funktioniert und zusammenhält.
Etwas negativ war vielleicht, dass die Werbung für diese Veranstaltung relativ schlecht war. Es gab keine Plakate oder ähnliches, die auf diesen Markt hingewiesen hatten. Die einzige Werbung war die Berichterstattung über den erwähnten Rechtsstreit, der sich in dieser Hinsicht positiv ausgewirkt hat. Vielleicht wäre auch eine Beschilderung zum Veranstaltungsort, bzw. zu den Parkmöglichkeiten eine gute Idee gewesen. Natürlich wissen die Hildesheimer, wo sich das Jo-Bad befindet, aber auswärtige Besucher konnten etwas suchen.
Fazit
Ein Mittelaltermarkt, der durch das Engagement des "Vereinten Banner e.V." deutlich gewonnen hat und unserer Ansicht nach auf einem sehr guten Weg ist. Wir hoffen deswegen, dass es auch in Zukunft einen Mittelaltermarkt in Hildesheim geben wird und das sich der Verein und auch die anderen beteiligten Veranstalter dazu bereit erklären, diesen Markt trotz aller Widrigkeiten weiterhin durchzuführen. Für das Engagement und Durchhaltevermögen von Wiebke und Hauke Bensch von den "Vereinten Banner e.V." ein großes Lob und ein herzliches Dankeschön.