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Die silberne Runenfibel von Beuchte

Ein bedeutender Fund aus dem Braunschweiger Land

Heute ist Internationaler Museumstag. Leider können wir an diesem Tag aufgrund der bekannten Gründe bei keiner Veranstaltung anwesend sein, um euch persönlich etwas über das frühmittelalterliche Leben zu vermitteln. Deshalb möchten wir das auf diesem Wege tun und euch mit einem sehr bedeutenden Fund bekannt machen:
Die silberne Runenfibel von Beuchte!

Diese Fibel ist uns im vergangenen Jahr im Rahmen der Niedersächsischen Landesausstellung Saxones mehrfach untergekommen. (Natürlich war sie uns auch vorher schon bekannt).

Der Illustrator Kelvin Wilson hat nach Vorgaben von der Kuratorin, Babette Ludowici, mehrere Bilder für die Ausstellung angefertigt. Eines davon zeigt eine nach Grabfunden rekonstruierte junge Dame aus Issendorf. Im Hintergrund ist eine ältere Dame zu sehen, die eine Bügelfibel trägt, die für den hiesigen Raum ganz typisch ist und die auch typenähnlich im Fundkomplex des Gräberfeldes Issendorf vorkommt. Auch in unserem aktuellen „Lieblingsgräberfeld“ Liebenau wurden 5 Fibeln dieses Typs oder Fragmente davon gefunden.
Heute möchten wir uns aber mit dem Gräberfeld von Beuchte (Gemeinde Schladen - Werla, Landkreis Wolfenbüttel) näher befassen. Hier wurden unter anderem neun Körpergräber aus dem sechsten Jahrhundert ergraben. Zum Fundkomplex gehören gleich drei dieser Silberfibeln. Leider existieren heute nur noch zwei davon, die Fibel aus Grab 5 ist verschollen.

Von großer Bedeutung sind die Gräber Nummer 1 und 2, die in der aktuellen Fachliteratur als „altsächsische Adelsgräber“ angesprochen werden. Ob es sich bei den Bestatteten wirklich um Sachsen oder möglicherweise um Thüringer gehandelt hat, können wir heute nicht mehr sagen. Die Grabausstattung war definitiv „thüringisch beeinflusst“.
In Grab 1, einem Frauengrab, befand sich eine Fibel, die den bedeutendsten Fund aus dem sechsten Jahrhundert im Braunschweiger Land darstellt. Was macht diese Fibel so wichtig? Wie unterscheidet sie sich von den weiteren Fibeln dieses Typus? Die Antwort dazu erhält man, wenn man die Fibel umdreht. Auf der Rückseite des Schmuckstückes sind zwei Runeninschriften eingeritzt. Zu lesen sind die Wörter "fuþarzj" und "buirso". Handelt es sich hier möglicherweise um „Zaubersprüche“, die die Trägerin schützen und vor Unheil bewahren sollten?
In einigen der uns überlieferten Runeninschriften sind magische Wortformeln belegt, die uns auch einen Einblick in die religiöse Vorstellungswelt der damaligen Menschen geben könnten. Diese Inschriften sind häufig auch in verstellter oder verkürzter Schreibweise nachgewiesen.

Eine frühere „magieorientierte“ Deutung sieht in den Runen "fuþarzj" (dem Anfang des älteren Futhark) "Heilswünsche" für die Trägerin der Fibel. Mit den Runen "z" und "j", die für die Begriffe "Abwehr" und "gutes Jahr" stehen, wurden hier noch "besondere Wünsche" mitgegeben.
Neuere Untersuchungen ergaben, dass die Runen einen fast unberührten Eindruck machen, während die Fibel selbst erhebliche Abnutzungsspuren aufweist. Auch bei der Gravur der z-Rune hatte der Ritzer geschickt eine bereits vorhandene Beschädigung der Oberfläche umgangen. Bisher wurde die etwas ungewöhnliche Form dieser Rune einem ungeübten Graveur zugeschrieben. Der neue Befund lautet jetzt: Die Inschrift ist erst kurz vor der Niederlegung (etwa 550 n. Chr.) als Grabbeigabe auf die Fibel gekommen. Sie weist hiermit in einen Bereich des Totenbrauchtums, das von der Furcht vor Wiedergängern geprägt ist. Es soll also eine Störung der Totenruhe verhindert werden.
Die Inschrift "buirso" könnte den Namen des Runenmeisters Bûriso wiedergeben. In diesem Falle hätte der Runenmeister seinen Namen "bewusst und tabuisierend" entstellt, damit kein Unbefugter den wahren Namen des Runenmeisters erkennen und dadurch Macht über ihn erhalten konnte. Eine andere Interpretation vermutet hier den Frauennamen "Burisõ". Keine dieser Vermutungen ist jedoch in irgendeiner Weise abgesichert .

Quellen und Literaturhinweise:
Brieske, Vera - Schmuck und Trachtbestandteile des Gräberfeldes von Liebenau, 2001
Brieske, Vera - Eliten des frühen Mittelalters in Norddeutschland, 2019
Düwel, Klaus - Runenkunde (4. Auflage), 2008
Häßler, Hans-Jürgen – Ur- und Frühgeschichte in Niedersachsen, 2002
Jungeblut, Lothar - Gräber, gestohlene Schwerter und „magische“ Runen
Krause, Wolfgang und Niquet, Franz - Die Runenfibel von Beuchte, Kreis Goslar, 1956
Ludowici, Babette (Hrsg.) - Saxones - Eine neue Geschichte der alten Sachsen, 2019
Niquet, Franz - Die Runenfibel von Beuchte im Kreise Goslar, 1957
Niquet, Franz - Eine Runenfibel und Totenbetten aus der Merowingerzeit, 1959 (erschienen in UMSCHAU Heft 11)

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